500 Jahre Auerhammer 2026

2017
266 Sächsische Heimatblätter · 3 | 2023 Wenn man sich auf eine schriftliche Überliefe-rung stützt, so findet sich in den Unterlagen des Bergarchivs Freiberg die Beschreibung einer Fundgrube, welche sich nahe dem „Uttenhofer Hammer“ befindet. Der Eintrag datiert vom 7. November 1526. Wörtlich heißt es dort „des Ot-tenhoffers hammer“. Die Gerichtsbücher Schnee-bergs nennen 1537 einen „Hammer an der Mulde unter dem Tzschurrelwalde“, der mit dem Auer-hammer identisch ist. Als 1627 Aue das Stadtrecht erhielt, war Hyro-nimus Müller von Berneck der Pächter des Au-erhammer. 1632 wurde der Auerhammer von schwedischen Truppen niedergebrannt. Neben diesem Kriegsleid waren immer wieder die Fol-gen der Pest, der „Kleinen Eiszeit“ und einige Hochwasser der Mulde, des Schwarzwassers und anderer Bäche, wie des Zschorlau- oder des Rum-pelsbachs, zu beklagen.Der Auerhammer war lange mit dem Bergbau verbunden. Das Hammerwerk stellte Metallegie-rungen her und verarbeitete diese mittels schwe-rer Hämmer, die durch Wasserkraft angetrieben wurden, zu Stangen und Blechen. Das Wohnhaus des Hammerwerks aus dem 17. Jahrhundert ist noch heute erhalten. Es wird als Herrenhaus be-zeichnet, da das Hammergut über Herrschafts-rechte verfügte, etwa die Gerichtsbarkeit über die im Gutsbezirk lebenden Untertanen. Über dem steinernen Erdgeschoss erhebt sich ein reich de-koriertes Fachwerk-Obergeschoss. Der Dachrei-ter stammt von 1797.Als 1644 Veit Hans Schnorr der Ältere (1624–1664) zusammen mit seinem Hammermeister Zacharias Schöppel den Auerhammer für 1.000 Gulden erwarb, begann für den Hammer ein Auerhammer ist ein ehemaliges Hammergut westlich von Aue, das sich zum Industriestand-ort mit Werkssiedlung entwickelte. Seit 1930 gehört Auerhammer zu Aue. Der Name leitet sich von einem Hammerwerk her.Eine Gründungsurkunde für den Auerhammer gibt es leider nicht. Wahrscheinlich ist er im 15. Jahrhundert von der Familie von Uttenhofen angelegt worden, die ab 1447 das Rittergut in Niederschlema besaß. Es ist davon auszugehen, dass es im Umfeld des Dorfes Aue an der Mulde und dem Schwarzwasser seit der ersten Besied-lung im 12. Jahrhundert bereits einige Schmie-den gab – eine davon der Auerhammer? Auerhammer Matthias Gläser Auerhammer um 1900 Herrenhaus des Auerhammers nach der Restaurierung Wikimedia
267 Sächsische Heimatblätter · 3 | 2023 Auerhammer Argentanproduktion ein. 1846 kaufte Christian Gottlieb Wellner, ein ehemalig beschäftigter Ar-beiter im Blaufarbenwerk Niederpfannenstiel und in Geitners Argentanfabrik, den noch vakanten Zainhammer im Gelände des Auerhammer vom Fiskus. Er spezialisierte seinen Betrieb auf die Löf-felproduktion und im Weiteren auf Besteck- und Tafelgeräteherstellung. Wie sich die Besteckpro-duktion weiterentwickelte, wird in einem geson-derten Beitrag beschrieben.Geitners Schwiegersohn Franz Adolph Lange (1815–1898) arbeitete in der Argentanfabrik und übernahm diese 1858. Als den 1870er Jahren der Nickelpreis stark anstieg, experimentierte Lange auch mit anderen Metallen und Legierungen. Be-reits 1869 produzierte man eine Widerstandsle-gierung (Auran) und Tombak (Kupfer mit Zinn-anteil von 5 bis 15 Prozent). Da viele Kunden anstelle von Neusilber ein Messing- oder Kupfer-Vormaterial verlangten, erweiterte der Betrieb, neuer, bemerkenswerter Abschnitt. 1664 erbte die Ehefrau Rosina Schnorr, der die Unterneh-mungen dem Sohn Veit Hans Schnorr dem Jün-geren (1644–1715) verkaufte. Er wurde 1687 als „Schnorr von Carolsfeld“ in den Adelsstand er-hoben. Zu seinen Unternehmungen gehören der Auerhammer, das Blaufarbenwerk Niederpfan-nenstiel, das Brünlasgut und verschiedene Häuser und Güter in Zelle, die Weißerdenzeche und wei-tere Schächte mit hohem Anteil an Kuxen. 1696 waren es nicht weniger als 3.904 Berganteile. 1668 erwarb er etliche Jagd- und Weidegründe sowie weitere Besitzungen und gründete den Carlsfeld, von dem sich auch sein Adelsname ableitet.Der Auerhammer bestand aus Hammer- und Schneidwerken, die mit der Wasserkraft der Mul-de arbeiteten. Holz und Holzkohle nutzte man zum Schmelzen der Erze. Produziert wurden Stä-be und Platten sowie Weiß- und Schwarzblech, welches man mit Hilfe der Erzgebirgischen Blech-kompanie in Fässern bis nach Übersee liefert. Die Herstellung von verzinntem Blech (Weißblech) war seit 1620 ein gut gehütetes technologisches Verfahren. Im 17. Jahrhundert kam das Weiß-blech fast ausschließlich aus dem Erzgebirge. Ein englischer „Industriespion“ aus Worcestershire kam 1670 nach Aue und erlernte das Verzinnen, womit diese Technologie weitere Verbreitung fand. Diese verzinnten Bleche bildeten das Vor-material für die Herstellung von Löffeln. In der Zeit des Siebenjährigen Krieges wurden 15 bis 20 Millionen Löffel pro Jahr produziert. In der Hun-gersnot von 1771/72 verließen viele Löffelma-cher und Plattner das Erzgebirge. Nachdem Veit Hans Schnorr von Carolsfeld 1715 gestorben war, begann der Niedergang. 1730 musste ein Schnorr-Sohn den Auerhammer für 10.300 Taler an den Schneeberger Rat verkaufen. Die Stadt Schneeberg verpachtete Teile des Ham-mers. Gottlieb Gottschaldt versuchte, eine Vit-riolhütte einzurichten, hatte aber keinen Erfolg. Seit 1733 betrieb ein Schneeberger Braumeister im Auerhammer eine Brauerei. 1742 kaufte Jo-hann Christoph Rudolph das Hammerwerk. 1783 wurde das ganze Werk beim Dammbruch des Filzteiches durch die Fluten des Zschorlaubachs verwüstet. 1829 übernahm der Staat das maro-de Werk. Man bildete Parzellen, die der Fiskus an verschiedene Eigentümer veräußerte. Ernst August Geitner (1783–1852), dem 1823 die Her-stellung von Argentan gelungen war, einer Legie-rung aus Nickel, Kupfer und Zink, richtete 1829 im stillgelegten Hammer die erste Argentanfabrik Europas ein. Er übernahm das Herrenhaus und die sogenannten oberen Hütten mit dem Hoch-ofen. Dort produzierte er Argentan oder Neusil-ber oder Form von Platten, Stäben, Drähten und Blechen. Nachdem das 1826 ausgestellte und für sechs Jahre geltende Schutzpatent ausgelaufen war, das Geitner vom sächsischen König erhal-ten hatte, stiegen weitere Unternehmen in die Aufgrund der geringen Größe wohl nur in MarginalspalteVeit Hans Schnott der Jüngere, Gemälde, 1688 Wikimedia Dr. Geitners Argentanfabrik in Auerhammer, Lithographie aus dem „Album der Sächsischen Industrie“, 1856
268 Sächsische Heimatblätter · 3 | 2023 Auerhammer 1918 übernahm Franz Adolph Langes Enkel Albert die Unternehmensleistung. Nach seinem Tod wur-de das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und firmierte seitdem als F. A. Lange Metallwerke AG Aue. Nachdem man ein Werk Bo-denbach/Elbe im Sudetenland angegliedert hatte, stieg die Belegschaft auf über 2.200 Beschäftigte. 1943 wurde Dr.-Ing. Werner Lange (1913–1992) Betriebsleiter. Die vier Generationen der Familie Lange versuchten, Arbeiter und Angestellte durch soziale Maßnahmen an den Betrieb zu binden. So wurden die sogenannten Arbeiterhäuser, ein Sport-platz und das Freibad („Lange-Bad“) gebaut. Ein Arbeitskampf erbrachte am 9. Dezember 1918 die Einführung des Acht-Stunden Arbeitstags. Während des Zweiten Weltkriegs war die Metallfa-brik in die Rüstungsproduktion eingebunden. Man fertigte Metallplattierungen zur Produktion von Messinghütchen (Patronen). Daher kam der Betrieb auf die Liste der Unternehmen, die 1946 gemäß dem Volksentscheid zur Enteigung der „Nazi- und Kriegsverbrecher“ der entschädigungslosen Ent-eignung anheimfielen. Die sowjetische Besatzungs-macht demontierte etwa 85 Prozent der Anlagen. Erst in den Jahren 1948/49 gelang die Wiederein-richtung. Der Betrieb trug seit dem 1. Januar 1949 den Namen „VEB Halbzeugwerk Auerhammer“ und produzierte bis 1955 Eisenbleche für die DDR-In-dustrie. Danach wurde die Produktion auf metallene Halbzeuge und Sonderwerkstoffe umgestellt, etwa Sonderlegierungen wie Eisen-Nickel, Eisen-Kobalt und Eisen-Nickel-Kobalt. Dazu errichtete man in Auerhammer umfangreiche neue Werkhallen. Der Betrieb war zuletzt dem Bergbau- und Hüttenkom-binat „Albert Funk“ in Freiberg angegliedert.Bemerkenswert ist der weitere Lebensweg von Prof. Dr. Werner Lange. Er blieb in der sowjeti-schen Besatzungszone, trat in die SED ein und wurde Professor für Metallhüttenkunde an der Bergakademie in Freiberg. Er gehörte der Akade-mie der Wissenschaften an, leitete verschiedene Forschungseinrichtungen und lehrte sowohl in Freiberg als auch in Dresden. Nach dem Zusammenbruch der DDR wurde der VEB in die Auerhammer Metallwerke GmbH um-gewandelt. Der Nachfolgebetrieb übernahm aber nur Teile des früheren Betriebsgeländes. Das his-torische Hammerherrenhaus, dem der Abbruch drohte, wurde durch den Förderverein Herren-haus Auerhammer e. V. schrittweise saniert. Das Gebäude soll museal genutzt werden. Das Herren-haus gehört als assoziierter Bestandteil zum Welt-erbe Montanregion Erzgebirge.Die Auerhammer Metallwerk GmbH ist seit 2014 eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Wickeder Westfalenstahl GmbH. Der Betrieb verar-beitet vor allem Legierungen auf Nickelbasis. Diese werden durch Plattieren und Kaltwalzen weiter-verarbeitet. Zu den plattierten Produkten gehören Thermobimetalle, Metallbänder mit verschiedenen Metallauflagen und Plattierungen für Münzen.der seit 1873 als Sächsische Kupfer- und Messing-werke F. A. Lange firmierte, sein Angebot. Er be-lieferte etwa die aufstrebende Elektrotechnik mit Messing und Kupfer. Um 1900 begann man mit der Warmplattierung von Tombak auf Stahl, was in der Militärtechnik Verwendung fand. Vielleicht war das der Grund, das die Könige von Sachsen das Werk mehrfach besuchten. Zuletzt war König Friedrich August III. (1867–1932) im Jahre 1908 zu Besuch im Werk. Die Unternehmensführung hatte seit 1885 Albert Lange (1846–1918) inne. Er baute die Sächsischen Kupfer- und Messing-werke F. A. Lange zum bedeutendsten Herstel-ler von Nichteisen-Halbzeugen in Sachsen aus. Im Auerhammer arbeiten zu dieser Zeit 1.400 Arbeiter. Zum Unternehmen gehörten der 1873 zugekaufte Kupferhammer in Olbernhau, die Schweinitzmühle im Böhmischen, eine Metallhüt-te in Ungarn, eine Silberwarenfabrik in Pforzheim sowie eine Porzellanfabrik in Böhmen. Arbeiter der Sächsischen Kupfer- und Messingwerke F. A. Lange, um 1900Auerhammer, 1912 SLUB Dresden, Deutsche Fotothek Autor Matthias Gläser